«Wenn es regnet, sinkt die Motivation»
Daniel, was macht diese Baustelle an der Grimsel speziell?
Wir bauen zum ersten Mal seit 30 oder gar 40 Jahren eine neue Staumauer in der Schweiz. Es macht mich ein wenig stolz, dass ich aktiv mitwirken darf, ein solches Bauwerk zu errichten.
Warum ist der Bau der doppelt gekrümmten Staumauer technisch so anspruchsvoll?
Eigentlich gibt es das Wissen, man hat vor 40 Jahren auch schon so gebaut. Die Herausforderung liegt in der Umsetzung: Die Leute mit dieser spezifischen Erfahrung arbeiten inzwischen nicht mehr. Wir haben 2021 die ersten Blöcke betoniert und seither laufend Erfahrungen gesammelt. Jetzt, im Jahr 2023, läuft es wirklich optimal. Wir konnten auch viele Leute aus den Vorjahren wieder ins Team holden und sie begeistern, an diesem Bauwerk mitzuarbeiten, damit hier etwas Gutes entsteht.
Bau der Ersatzstaumauer Spitallamm
Die Kraftwerke Oberhasli AG ersetzen von 2019 bis 2025 die bestehende Staumauer mit einer neuen. Die alte Mauer ist sanierungsbedürftig, sie bleibt jedoch erhalten und wird später geflutet. Mit dem Ersatzneubau der Spitallamm Mauer stellt die KWO sicher, dass das Wasser aus dem Grimselsee langfristig ohne Einschränkung für die Stromproduktion genutzt werden kann.
Wie läuft die Arbeit auf dieser saisonalen Baustelle?
Im Winter haben wir hier drei, vier Meter Schnee. Im April räumen wir mit rund 20 Leuten den Schnee, die Strasse und unsere Arbeitsplätze. Das dauert rund einen Monat. Dann installieren wir innerhalb von zwei Wochen die Baustelle wieder und fahren innerhalb von einem Monat wir das Team von 20 auf 100 Personen hinauf.
Bei dieser saisonalen Baustelle werden die Teams jedes Jahr neu zusammengesetzt. Was bedeutet das?
Das ist die grösste Herausforderung. Wir haben nicht überall die gleichen Mitarbeitenden wie im letzten Jahr. Das ist eine sehr, sehr intensive Zeit im Mai und Anfang Juni: Wir müssen die neuen Leute kennenlernen, die alten haben sich über den Winter weiterentwickelt. Nur so können wir das Optimum aus dem Team herausholen.
Wie sieht während dieser intensiven Zeit im Sommer ein normaler Arbeitstag für dich aus?
Ich stehe um halb fünf auf, mache Frühstück, dusche. Dann fahre ich rund 30 Minuten herauf zur Baustelle und bin gegen halb sechs hier. Zuerst begrüsse ich die Leute und frage, wie es während der Nacht gelaufen ist. Dann gehe ich ins Büro, kümmere mich um Lieferscheine und Rechnungen und plane den Tag. Meistens gehe ich am Vormittag noch einmal für ein, zwei Stunden auf die Baustelle und kläre offene Punkte mit der Bauleitung und mit den Polieren. Den Mittag verbringe ich im Büro, aber gegen vier Uhr gehe ich mit meinem Laptop dann meistens noch einmal auf die Baustelle und arbeite an meinem Arbeitsplatz dort bis sechs, sieben. Dann ist auch für mich Feierabend.
Wie hältst du diesen intensiven Rhythmus durch?
Es sind lange Tage, aber wir arbeiten nur sechs Monate so intensiv. Im Winter kann man es dann lockerer nehmen, aufgestaute Zeiten kompensieren, auch mal einen oder zwei Monate auf Urlaub fahren. Ski fahren oder Hobbies nachgehen, die im Sommer ein wenig zu kurz kommen. So kann man sich arrangieren. Die Baustelle ist speziell. Das habe ich gewusst, als ich gekommen bin, dass man im Sommer wirklich viel arbeiten muss, und nur eine Woche Urlaub nehmen kann. Ich bin also gerne bereit, das zu machen.
Das ist nicht deine erste aussergewöhnliche Baustelle
Ich durfte u.a. 2012 bis 2013 für Implenia am Gotthard arbeiten und anschliessend ich in Biel beim Flusskraftwerk Hagneck mitbauen. Von dort habe ich dann zum Pumpspeicherkraftwerk Nant-de-Drance gewechselt – ein weiteres Highlight. Ich durfte die grosse Kaverne betonieren. Innerhalb von zwei Jahren haben wir dort ein Gebäude hineingebaut und dabei gleich viel Beton gebraucht wie für die ganze Staumauer.
Das ist jetzt deine dritte Saison an der Grimsel. Highlights?
Ein Highlight war der erste Block, den wir betoniert haben, Block H39, ziemlich genau da unten. Ansonsten geht es darum, mit dem Team jeden Tag einen Block zu betonieren. Wir liegen gut im Zeitplan und werden rechtzeitig abschliessen. Darauf bin ich stolz.
Wie schliesst ihr die Saison ab?
Wir betonieren bis zum 31. Oktober und machen die Baustelle dann winterfest. Dafür räumen wir alle Gerüste ab und alles, was lose ist. Die Blöcke werden mit Matten abgedeckt und an den Flanken werden die Schalungen komplett von den Blöcken entfernt. Baracken, Mulden, Wasserpumpen – alles ausser der Betonmischanlage, den Kränen und dem Barackendorf – wird weggeräumt und für die Wintermonate in den Tunnels gelagert.
Und dann geht es im April wieder von vorne los…
Im April räumen wir dann wieder ca. einen Monat lang vom Kieswerk her den Schnee, von rund 1’650 m bis hier auf 1’900 m über Meer. Während sechs Monaten betonieren wir täglich einen Block. Und im Herbst 2025 sind wir dann fertig.
Wie ist es, im Hochgebirge zu arbeiten?
Wenn das Wetter schön ist, ist es perfekt in dieser wirklich schönen Gegend! Aber die Motivation sinkt hier oben, wenn es regnet. Da geht auch die Freude flöten.