Wie ein Phönix aus der Asche
Wie ein Schmetterling mit ausgebreiteten Flügeln ruht das Dach der Alsterschwimmhalle auf nur drei Stützen und überspannt die weiträumige Halle. Seit 1973, als das grösste öffentliche Schwimmbad Hamburgs eröffnet wurde, bringt seine Architektur Betrachterinnen und Betrachter zum Schwärmen – vor allem das Dach in Form eines doppelten hyperbolischen Paraboloids, angeblich eine der schönsten geometrischen Figuren überhaupt. Im Olympia-tauglichen 50-Meter-Becken fanden über die Jahre unzählige Schwimmwettkämpfe jeglicher Grössenordnung statt. Und bei Schönwetter drang das gleissende Sonnenlicht durch die Glasscheiben der Fassade und blendete Zuschauer wie Fernsehkameras.
So schön es war: Jahrzehnte im Chlorwasser(dampf)-geschwängerten Dauerbetrieb setzten dem Gebäude auf Dauer arg zu. Zugleich veränderten sich im Lauf der Zeit die Anforderungen der diversen Nutzerinnen und Nutzer. Aus diesem Grund beschloss die Betreiberin Bäderland Hamburg GmbH, die Alsterschwimmhalle nicht nur zu erhalten, sondern ihr Angebot auch deutlich zu erweitern. Seit Oktober 2020 wurde die Anlage drei Jahre lang renoviert und ausgebaut, mit dem klaren Auftrag, die aussergewöhnliche Architektur behutsam zu ergänzen und die prägenden Gestaltungselemente zu erhalten.
Modernste Technik im Originaldesign
Der Anspruch, modernste Technik in originalgetreues Design zu verpacken, schloss Lösungen von der Stange zu einem grossen Teil aus, wie Projektleiter Frank Schumacher von Implenia Fassadentechnik erklärt. «Der Denkmalschutz war bei diesem Projekt stark involviert und hat auch entsprechende Ansprüche gestellt. Ob bei den Aluminium-Raumfachträgern oder den Türbeschlägen: Wir mussten bei jedem sichtbaren Element prüfen, ob wir das Originalteil aufbereiten und wiederverwenden konnten. Wo das nicht möglich war, galt es Lieferanten zu finden, die originalgetreu nachproduzieren können.»
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«Wir mussten bei jedem sichtbaren Element prüfen, ob wir das Originalteil wiederverwenden konnten.»
Frank Schumacher, Projektleiter, Implenia Fassadentechnik
Die 58 Aluminium-Raumfachträger etwa, an denen die Glasfassade montiert ist, wurden mit grosser Sorgfalt abgebaut und in einer Firma in Rostock saniert. Das heisst: Wiederaufbereitet wurden 43 von ihnen, die restlichen 15 mussten erneuert werden, wie Frank erzählt: «Die neue Glasfassade ist schwerer als die alte. Aus statischen Gründen mussten wir bestimmte Alustützen nachbauen lassen – Spezialanfertigungen im Originallook.»
Kein Platz für Irrtümer
Die Stützen sind zwischen 4 m und 15,5 m hoch. Um sie zur Aufbereitung und zurück zur Baustelle zu transportieren, waren rund 80 LKW-Fahrten im dicht bebauten Gebiet notwendig. «Die Logistik war anspruchsvoll», gibt Frank zu. «Für den Wiedereinbau mussten wir minutiös planen, in welcher Reihenfolge und in welchen zeitlichen Abständen diese grossen Gebäudeteile geliefert werden sollten. Es gab hier auf der Baustelle schlicht keinen Platz für Irrtümer.»
Auch technisch stellte die Konstruktion hohe Ansprüche: Das Schalendach aus Spannbeton ist zwar 102 mal 52 m gross, aber nur 80 mm dick – und es schwingt. Das Dach darf auf keinen Fall auf der Fassade zu ruhen kommen, sonst drohen Scherben. Um seine Amplitude auszugleichen – mal liegt es 30 cm tiefer als normal, mal 30 cm höher – haben die Alustützen einen Teleskopeinschiebling, der vertikal verschieblich und gelenkig am Dach angeschlossen ist. So passen sich die Stützen auch bei Stürmen oder Extremtemperaturen flexibel der Höhe des Dachs an.
Neues Isolierglas im Einsatz
Bei der Glasfassade selbst war von Anfang an klar, dass eine Wiederverwendung nicht in Frage käme. Die alte Fassade war einfach verglast, was rein energetisch nicht mehr dem heutigen Stand entsprach. Die jetzige Fassade ist eine Isolierglas-Einheit mit einem Isoliersteg in der Mitte und bringt damit ganz andere bauphysikalische Werte als eine Mono-Scheibe.
Strenger Denkmalschutz: Die Fassade musste nach der Renovation aussehen wie 1973 – inklusive Lüftung in Form von weissen Kunststoffröhren, auch wenn diese keine Funktion mehr erfüllen
Ein kurioses Detail am Rande: Um das Beschlagen der ursprünglichen Glasscheiben zu verhindern, hatte man eine Lüftung in Form von weissen Kunststoffröhren eingebaut, befestigt an den Stützen vor den Fensterfronten. Inzwischen ist die Belüftung der Fassadeninnenseite längst anders gelöst. «Die weissen Kunststoffröhren aber haben wir auf Wunsch der Denkmalpflege wieder angebracht, auch wenn sie keine Funktion mehr erfüllen», schmunzelt Frank. «Es sollte eben alles wieder so aussehen wie damals.»
Eindrücke von 1973: Das Dach von Hamburg | ZEIT ONLINE
Befestigt sind die Glaselemente über horizontale Riegellagen, die wiederum an Gitterstützen festgemacht sind. Die vertikale Versiegelungsfuge, eine sogenannte Wartungsfuge, muss einmal im Jahr kontrolliert werden. Im Rahmen eines Wartungsvertrags wird das Team der Fassadentechnik also über die nächsten vier Jahre immer einmal im Jahr im Haus sein. Frank Schumacher freut es: «Ich baue seit 1989 Fassaden und habe schon viel gesehen. Generell ist Sanieren aufwändiger als neu Machen – vor allem bei denkmalgeschützten Bauwerken. Ich freue mich, dass wir dieses spektakuläre Bauwerk termingerecht übergeben konnten und einen Beitrag geleistet haben zum Erhalt dieses architektonischen Wahrzeichens der Stadt.»
Das Projekt Alsterschwimmhalle, Hamburg
Baubeginn: November 2020
Fertigstellung: November 2023
Bauvolumen (Leistungen Implenia): EUR 5,3 Mio.
Leistungen:
- 2’250 m² Abbruch und Wiederherstellung denkmalgeschützte Sonder-Glasfassade
- De- und Neumontage sowie Neubau/Sanierung von 58 Fassaden-Gitterträgern
- 1’700 m² Neubau- Glas- und Blechfassaden
Bildgallerie
Alsterschwimmhalle Hamburg
Eindrückliche Architektur: Allein die Glassfassade ist 2’250 m² gross
Implenia Fassadentechnik war für die Renovation der gesamten Fassade zuständig – inklusive perforierte Blechpaneele über dem Eingangsbereich