Wohin geht die Reise, Erwin?
ABSTRACT ZUM PODCAST
In diesem Podcast spricht Eva Heimrich, Head Corporate Communications bei Implenia, mit Erwin Scherer, dem neuen Leiter der Implenia Division Civil Engineering, über seine berufliche Entwicklung, seine Führungsprinzipien und die Herausforderungen der Bauindustrie.
- Per 1. September 2024 hat Erwin Scherer die Leitung der Division Civil Engineering mit über 4'800 Mitarbeitenden in sechs Ländern übernommen. In dieser Folge stellt er sich vor und gibt Einblicke in seinen beruflichen Werdegang, der von seiner Reiseleidenschaft, seinem Studium im Subsurface Engineering und umfangreichen internationalen Projekterfahrungen geprägt ist (0:30 Min.).
- Im Ausland hat Erwin Scherer an bedeutenden Infrastrukturprojekten gearbeitet, darunter die Entwässerung Singapurs und die U-Bahn in Kopenhagen. Besonders prägend war für ihn ein Bahnprojekt in Sankt Anton am Arlberg in Österreich, das ihn vor besondere Herausforderungen stellte (5:00 Min.).
- Ein wichtiges Thema des Gesprächs ist der Führungsstil bei Implenia. Scherer betont die Bedeutung von Vertrauen, Offenheit und einem motivierten Team als Grundlage für erfolgreiche Zusammenarbeit. Er stellt dar, warum er nicht versucht, über zu führen, und wie er diese Philosophie in seiner neuen Rolle umsetzt (9:00 Min.).
- Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs liegt auf den aktuellen und zukünftigen Chancen und Herausforderungen im Bereich Civil Engineering. Dabei geht es um Themen wie Digitalisierung, Urbanisierung und neue Vertragsmodelle. Implenia sieht sich hier gut aufgestellt und setzt auf integrierte Projektabwicklung, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden (10:00 Min.).
- Ebenso wird die Vision für die Division Civil Engineering beleuchtet. Der Erfolg dieser Division basiert auf Teamarbeit und dem gemeinsamen Engagement aller Mitarbeitenden. Scherer betont, dass die erfolgreiche Umsetzung von Grossprojekten immer das Ergebnis eines starken Zusammenhalts und kollektiver Anstrengungen ist (11:30 Min.).
Hinweis: Dieser Podcast wurde in deutscher Sprache aufgenommen. Andere Sprachversionen finden sich hier: Englisch Französisch
«Ich bin alles andere als ein Mensch, der versucht, durch Kontrolle zu führen – Vertrauen ist meine Basis.»
Erwin Scherer
TRANSKRIPT
Eva Heimrich: Willkommen bei Implenia Talk! In diesem Podcast-Format beleuchten wir Themen und Entwicklungen, die unser Arbeitsumfeld beim grössten Schweizer Bau- und Immobilien-Dienstleister prägen und lassen unsere Mitarbeitenden direkt zu Wort kommen. Ich bin Eva Heimrich, Head Corporate Communications, und ich begleite euch durch diese Sendung.
Heute begrüsse ich Erwin Scherer, der seit 1. September 2024 die Leitung der Implenia Division Civil Engineering mit über 4‘800 Mitarbeitenden in sechs Ländern übernommen hat. Erwin verantwortet schon seit fünf Jahren den Bereich Tunnelbau und hat nun die Nachfolge von Christian Späth angetreten. Er kennt also Implenia mit allen Stärken und Herausforderungen sehr gut. Heute wollen wir von ihm wissen, was ihn in seinem Leben und seiner beruflichen Entwicklung geprägt hat, was ihm bei der Zusammenarbeit im Team wichtig ist und auf welche Herausforderung er sich in seiner neuen Position freut.
Erwin, du hast Anfang September die Leitung der Implenia Division Civil Engineering übernommen – mit rund 4‘800 Mitarbeitenden in sechs Ländern. Kannst du dich kurz vorstellen, für diejenigen, die dich noch nicht kennen? Woher kommst du? Welche Ausbildung hast du gemacht? Wie sah dein beruflicher Werdegang aus, und seit wann bist du bei Implenia in welcher Funktion?
Erwin Scherer: Ja, das mache ich gerne! Wie ihr ja schon wisst, ist mein Name Erwin Scherer. Ich bin gebürtiger Österreicher, 1966 in Salzburg geboren. Genauer gesagt im Bundesland Salzburg, wo ich dann auch mein Abitur gemacht habe – in Österreich heisst es ja wie in der Schweiz Matura – und danach ging es damals für alle verpflichtend zum Militär. Und da bin ich dem Ruf des Staates gefolgt und habe zuerst meinen Freiwilligendienst gemacht und dann die Ausbildung zum Reserveoffizier.
Danach habe ich mich entschieden, nicht sofort zu studieren. Das war zwar immer mein Wunsch, aber ich wollte erst einmal etwas anderes machen. Ich war 20 Jahre alt, das Fernweh war gross, und ich wollte die Welt bereisen. Das habe ich dann auch gemacht. Ich bin fast zwei Jahre durch die Welt gereist – nicht am Stück, sondern mit Unterbrechungen. Ich war ständig unterwegs: in aller Herren Länder die unterschiedlichsten Jobs gemacht, die Reisen unterbrochen, wieder nach Europa zurückgekehrt, um hier Geld zu verdienen und die nächste Reise anzutreten.
Ich startete in Ozeanien, Australien, Neuseeland und in der Südsee. Aus Geldmangel musste ich jedoch meine Reise in Indien abbrechen und nach Österreich zurückkehren, um neues Geld zu verdienen. Dann zog es mich nach Mittelamerika und schliesslich für lange Zeit nach Afrika. Es war nicht immer einfach, aber ich war mit einem Freund unterwegs, der schon sehr reiseerfahren war, und alles in allem war es eine tolle Erfahrung. Mit Anfang 20 ist das Wort Risiko auch noch nicht so gross geschrieben. Also genau die richtige Einstellung.
Nach zwei Jahren war dann aber Schluss. Zugegebenermassen haben meine Eltern auch etwas Druck gemacht. «Wie lange soll das denn noch gehen, lieber Junge?» Daraufhin habe ich gesagt: «Okay, jetzt möchte ich studieren», und mein Studium an der Montanuniversität in Leoben in der Steiermark begonnen. Dort gab es einen Fachbereich, der unter dem englischen Namen Subsurface Engineering angeboten wurde. Der Name wurde unserer Partneruniversität, der Colorado School of Mines, geprägt, mit der wir einen gemeinsamen Masterstudiengang hatten. Ich war also kein Diplom-Ingenieur, sondern einer der ersten Master-Absolventen im deutschsprachigen Raum. Das kam nicht schlecht an.
1995 habe ich mein Studium erfolgreich abgeschlossen, bin nach Wien gezogen und habe bei der Firma Stuag angefangen. Diese Firma wurde später von der Strabag übernommen, weshalb ich weiterhin in Wien wohnte, aber in Deutschland arbeitete. Das ging drei, vier Jahre sehr gut, bis ich mich 1998 von meiner damaligen Freundin und Lebensgefährtin getrennt habe und nach Wiesbaden gezogen bin, wo ich immer noch lebe. Dort habe ich auch meine jetzige Frau kennengelernt, mit der ich im Dezember 25 Jahre verheiratet bin und vier Töchter habe. Danach wechselte ich zu Züblin in Stuttgart und vor fünf Jahren nahm ich die Herausforderung an, bei Implenia als Head Tunneling anzufangen.
Eva Heimrich: Kannst du uns sagen, wo und an welchen Projekten du während deiner Zeit im Ausland gearbeitet hast?
Erwin Scherer: Im europäischen Ausland war ich für meine damalige Firma in Portugal, in Kopenhagen in Skandinavien, ganz kurz auch in Israel und relativ lange in Südostasien, Hongkong und vor allem in Singapur.
Eva Heimrich: Und was hast du dort gemacht?
Erwin Scherer: Ich war mehrere Jahre an Infrastrukturprojekten in Singapur beteiligt, wie z.B. an der Entwässerung des Stadtstaates, ähnlich in Israel bei der 5th Water Line to Jerusalem und der U-Bahn in Kopenhagen.
Eva Heimrich: Sehr spannend! Wir sind sogar schon bei den Projekten. Gibt es einzelne Projekte, die dir in ganz besonderer Erinnerung geblieben sind?
Erwin Scherer: Es gibt viele Projekte, an die ich mich positiv erinnere, aber auch solche, an die ich mich – nach so langer Zeit – weniger positiv erinnere. Eines, das mich wirklich geprägt hat, war kurz nach meinem Berufseinstieg 1999: das Grossprojekt Sankt Anton am Arlberg in Österreich. Der eine oder andere kennt das vielleicht vom Skifahren. Damals ging es darum, rechtzeitig zur Ski-WM 2001 die Bahn, die durch den Ort führte, unterirdisch auf die andere Talseite zu verlegen. Ich war der Projektleiter vor Ort. In diesem Winter gab es in Tirol, genauer gesagt in Galtür, diese Schneemassen, die diese katastrophalen Lawinen ausgelöst haben. Das hat mich sehr geprägt, weil ich sieben Mal das Büro und die Baustelle räumen musste und von der Bergrettung evakuiert wurde. Sieben Mal in einem Winter. Das war nicht einfach, aber es bleibt in Erinnerung.
Eva Heimrich: Seit fünf Jahren bist du Head of Tunneling bei Implenia. Auch in deiner neuen Position bekleidest du weiterhin diese Rolle. Was fasziniert und motiviert dich so daran?
Erwin Scherer: Als mich vor fünf Jahren Christian Späth anrief und später auch René Kotacka, der mich zusammen mit André Wyss eingestellt hat, stellten sie mir die gleiche Frage: «Warum kommst du zu Implenia? Du bist doch bei Züblin in einer vernünftigen Position». Ich suchte einfach die Herausforderung. Ich wollte mich verändern. Implenia ist anders als eine bodenständige und konservative Firma wie Züblin, vor allem, was das Führungsteam betrifft. Das hat mich gereizt. Zudem ist der Firmensitz in der Schweiz, was für mich bedeutete, nicht mehr alle 14 Tage diese wahnsinnigen Fernreisen Richtung Asien machen zu müssen. Das war schon sehr anstrengend.
Das Tätigkeitsgebiet von Implenia in Europa bedeutete für mich, der es gewohnt war, viel ins Ausland zu fliegen, zum Beispiel in die USA, dass die meisten Reisen Kurzflüge von zwei bis drei Stunden waren. Also dieser für mich eher kleinere Markt war einfach sehr interessant. Das hat mich sehr gereizt und deshalb bin ich zu Implenia gekommen. Und was Implenia von anderen Baufirmen unterscheidet, ist die Zusammensetzung des Managements. Es besteht nicht nur aus Leuten, die das Bauingenieurwesen von der Pike auf gelernt haben, sondern es ist ein bunter Blumenstrauss. Das macht den Reiz aus und das hat mich gereizt.
Eva Heimrich: Wunderschön. Also Diversität und Vielfältigkeit sind Merkmale, die du schätzt?
Erwin Scherer: Ja, auf jeden Fall. Das ist der Weg nach vorne und ich denke, dass es auch gut funktioniert.
Eva Heimrich: Welche Werte oder Prinzipien sind dir beruflich und privat besonders wichtig? Wie gestaltest du den Umgang mit deinen Teams?
Erwin Scherer: Ich pflege einen offenen Führungsstil, eine offene Kommunikation und einen ehrlichen Austausch. Ich bin alles andere als ein Mensch, der versucht, durch Kontrolle zu führen – Vertrauen ist meine Basis. Ich glaube, dass man mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit immer weiter kommt. Ich kann sowieso nicht alles kontrollieren, das ist zu vielfältig. Aber wenn man es schafft, die richtigen Leute einzustellen, die motiviert sind und für ihre Arbeit brennen, dann ist das viel zielführender. Dennoch sind wir ein Wirtschaftsunternehmen und zum Geldverdienen da – das sind wir unseren Stakeholdern schuldig. Da muss man auch die eine oder andere harte Entscheidung treffen. Daran führt kein Weg vorbei, aber das ändert nichts an meinem Führungsstil.
Eva Heimrich: Sprechen wir noch ein wenig über den Markt: Was sind aus deiner Sicht die grössten Chancen und Herausforderungen im Civil Engineering, die auf uns zukommen?
Erwin Scherer: Das allseits bekannte Thema der Digitalisierung ist auch bei uns angekommen. Längst, aber es kommt noch mehr. Ich glaube, André Wyss hat es schon oft gesagt: Der Trend zur Urbanisierung wird sich fortsetzen. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, es entstehen grosse Zentren. Da kommt man um eine gesunde und gut funktionierende Infrastruktur nicht mehr herum. Wir haben uns als Division Civil Engineering mit unseren Tochtergesellschaften im Tunnelbau, im Spezialtiefbau und im Ingenieurbau in den letzten Jahren gut positioniert. Hier sehen wir grosse Chancen, weil wir mit unseren technischen Büros für diese Grossprojekte bereits gut gerüstet sind. Das wird entscheidend sein.
Eine weitere interessante Entwicklung, die vor einigen Jahren begonnen hat, sind neue Vertragsmodelle. Auch das gehört zu unserer Aufgabe: zu erkennen, dass ein Gegeneinander weniger zielführend ist als ein Miteinander. Es kostet Geld, es kostet Energie, es verschleisst, und vor allem die jungen Leute wollen das nicht mehr – zu Recht, muss ich sagen. Wir erleben gerade eine Phase des Umbruchs, in der wir alle gefordert sind. Ich persönlich sehe das als Chance. Wir haben die richtigen Leute für diesen Prozess und ich sehe uns für die Zukunft gut aufgestellt.
Eva Heimrich: Was erwartest du von deinem Team, damit es gelingt, die Division in eine erfolgreiche Zukunft zu führen?
Erwin Scherer: Wir betrachten das gemeinsam im Team. Die Strategie, der wir uns verschrieben haben – also unsere Vision, unseren Purpose, unsere Mission und die Art und Weise, wie wir das angehen – ist nicht das Werk von mir allein oder von ein paar Leuten. Wenn man weiss, wie man eine Infrastruktur aufbaut, dann weiss man, dass es immer eine Gemeinschaftsarbeit ist.
Dazu braucht es viele, die gleich handeln und ein gleiches Interesse haben. Dann lässt sich auch ein grosses, kompliziertes Projekt gemeinsam angehen, zum Guten wenden und abschliessen. Davon bin ich überzeugt. Es braucht natürlich Leute, die committed sind und am gleichen Strang ziehen. Dann kann man das angehen. Da schaue ich positiv in die Zukunft, Eva.
Eva Heimrich: Wunderbar! Du hast nun die Leitung der ganzen Division übernommen. Hast du eine Vision für sie und wie möchtest du das umsetzen?
Erwin Scherer: Wir haben schon vor geraumer Zeit mit der integrierten Abwicklung von Grossprojekten begonnen. Da ist noch Luft nach oben: Das Kostenstellendenken, in dem jede Einheit für sich schaut, ist noch vorgeprägt. Das ist auch verständlich, weil es ja mit dem Vergütungsmodell zusammenhängt. Da müssen wir noch ein bisschen besser werden und wirklich sagen: «Okay, mich interessiert das Projekt und auch der Erfolg der gemeinsamen Abteilungen, zum Wohle von Implenia.» Da sind wir dran und wir werden besser. Es ist noch ein bisschen Luft nach oben und wir haben gemeinsam daran zu tun. Denn sind wir noch nicht am Ende, können wir es noch besser machen.
Eva Heimrich: Du arbeitest viel, bist auch beruflich viel unterwegs. Was machst du in deiner Freizeit, um einen Ausgleich zu diesen Herausforderungen zu finden?
Erwin Scherer: Ich versuche zwei-, dreimal die Woche Sport zu machen. Zugegebenermassen nicht mehr in der Intensität und Geschwindigkeit wie früher, aber ich schaffe es weiterhin zwei-, dreimal in der Woche eine Stunde Sport zu machen. Während der Reise nutze ich auch schon mal das Laufband im Hotel und am Wochenende bin ich gerne in der freien Natur, um mich zu bewegen. Ich spiele auch aktiv Tennis im Verein, was mir Spass macht, und im Winter geht man als gebürtiger Österreicher natürlich Skifahren, wann immer es geht.
Eine heimliche Leidenschaft, die keiner so richtig kennt, ist Golf. Aber das muss zurzeit warten, da es zeitlich nicht machbar ist. Vielleicht in fünf Jahren oder später, je nachdem. Aber das ist mein Ausgleich. Und selbstverständlich bin ich auch gerne zu Hause im Kreise meiner Damen.
Eva Heimrich: Wir sind am Ende unseres Gesprächs angekommen. Ich bedanke mich herzlich bei meinem Gast Erwin Scherer. Erwin, ich wünsche dir viel Erfolg für diese neue grosse Aufgabe und alles Gute!
Erwin Scherer: Danke, Eva. Vielen Dank. Es war mir ein Vergnügen und bis zum nächsten Mal.
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Wir freuen uns auf einen spannenden Austausch und wir bleiben dran an den Themen, die euch am Herzen liegen. Bis zum nächsten Mal!