Energie aus der Fassade
Die Idee zu einer energieautarken Fassade kam Carlos Pinto, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Implenia Fassadentechnik GmbH, bereits vor Jahren. Mit dem Fraunhofer Institut war schnell ein Projektpartner gefunden, der das Innovationspotenzial des Projekts erkannte. Gemeinsam suchte man nach Partnern mit der Kompetenz, ein solch umfassendes Projekt zu stemmen. Zur Finanzierung konnte das Bundesministerium für Wirtschaft gewonnen werden. «Das ist natürlich schon etwas Besonderes, wenn ein Ministerium unser Projekt für so innovativ hält, dass es mehr als eine Million Euro zur Verfügung stellt», betont Carlos Pinto.
Starke Partner und staatliche Fördergelder
Seit Mitte 2018 Jahren arbeiten die Verbundpartner – Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES, Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Abt. Energieeffizienz und Raumklima, LARÉ GmbH Luft- und Klimatechnik sowie die Implenia Fassadentechnik GmbH – an dem innovativen Projekt. Da die Projektbeteiligten über ganz Deutschland verteilt sind, ist eine strikte Projektorganisation notwendig. «Häufig gibt es bei solch langfristigen Projekten immer wieder einmal Durchhänger, weil der ein oder andere Partner nichts von sich hören lässt und es deshalb nicht vorangeht. Aber bei unserem Projekt arbeiten alle engagiert zusammen. Das trägt das Projekt», betont Dieter Paustian. Gemeinsam mit seinem Kollegen Robin Frantz sind die beiden für Implenia im insgesamt zehn Personen starken Kernteam vertreten.
Im August 2020 wurde das Fassadenmodul in ein Musterhaus in der Nähe von München eingebaut. Seit März 2021 laufen die Messungen, die einen ganzen Jahreszyklus aufzeichnen sollen. «Der Zwischenstand unserer Messung zeigt die Halbierung des Endenergiebedarfes für das Heizen, Lüften und Kühlen eines Büroneubaus», erklärt Carlos Pinto. «Von der verbleibenden Energiehälfte werden momentan noch ca. 1/3 Endenergie zugeführt. Durch die Integration von PV, reversiblen Kleinstwärmepumpen, hohen Dämmstandards und Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung ist es gelungen, eine nahezu vollständige energetische Versorgung der Büroräume zu erreichen.»
«Durch die Integration von PV, reversiblen Kleinstwärmepumpen, hohen Dämmstandards und Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung erreichen wir eine nahezu vollständige energetische Versorgung der Büroräume.»
Carlos Pinto, Vorsitzender der Geschäftsführung, Implenia Fassadentechnik GmbH
Durch den positiven Projektverlauf rücken jetzt gewisse zu Beginn des Projektes aus Kapazitätsgründen ausgeklammerte Themen in den Fokus des Projektteams: Brandschutz, Schallemission der Wärmepumpe, Wartung der Technikmodule, rechtlicher Rahmen bei gemeinsamer Bauausführung und einer bauaufsichtlichen Nachweisführung, da sind sich alle Beteiligten einig, müssen in einem nächsten Schritt untersucht werden.
Das neuartige energieautarke Fassadensystem
Durch integrierte Anlagentechnik* wie Photovoltaik, Kleinstwärmepumpen und Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung bei gleichzeitig hohem Dämmstandard strebt das System eine nahezu vollständige energetische Versorgung (Heizen, Kühlen, Lüften) eines Bürogebäudes über die Fassadenfläche an. Hierdurch wird der Bedarf an zentraler technischer Gebäudeausrüstung (TGA) und externer Energiezufuhr auf ein Minimum reduziert. Das Ergebnis: Verzicht auf zentrale Gebäudetechnik (Heizung, Kühlung, Lüftung…); Energie wird gewonnen, wo sie gebraucht wird; kurze Bauzeiten durch hohe Vorfertigung
- Stromerzeugung (Photovoltaik)
- Wärmegewinn / Heizen / mechanisches Lüften / Kühlen (Lüftung / Kleinstwärmepumpen)
- Wärme erhalten (Hocheffiziente Dämmung/Verglasung + WRG)
- Überhitzung vermeiden (Sonnenschutz + ggf. Funktionsglas)
*Integration folgender Funktionen/Anlagen in vorgehängtes Fassadenmodul
Auch das Bundesministerium für Wirtschaft erwägt die teilweise Förderung eines weiteren Demonstrators oder die Realisierung unter Forschungsbedingungen an einem «echten» Projekt. Momentan suchen alle Projektpartner nach Wegen, um Kapazitäten und das erforderliche Kapital bereitzustellen. Zur Ergänzung des Teams soll ein Wärmepumpenbauer gewonnen werden.
Schön UND finanzierbar
Bleiben die Ergebnisse derart überzeugend, will Implenia das System gemeinsam mit den Projektpartnern zur Marktreife führen und möglicherweise in einer konzerneigenen Projektentwicklung umsetzen. Auf dem Markt gibt es zwar bereits ein System, um die Energieversorgung eines Hauses über die Fassade zu ermöglichen. «Was uns aber davon abhebt, ist ganz einfach: Wir machen es schön UND finanzierbar», erklärt Projektleiter Robin Frantz die wichtige Voraussetzung, um später ein marktreifes Produkt auch wirklich verkaufen zu können. Das System, das derzeit auf dem Markt angeboten werde, sei extrem teuer und gestalterisch wenig flexibel. Das nun gemeinsam entwickelte Modul ist hingegen finanzierbar UND kann sich sehen lassen. «Letzteres ist natürlich gerade für Architekten wichtig: Es ist schick und energieeffizient», hebt Carlos Pinto hervor.