Digital Bauen: Von der Vision zur Wirtschaftlichkeit

Man stelle sich vor: Drohnen warten, inspizieren und reparieren Gebäudehüllen autonom oder sie bauen im Schwarm ganze Gebäude gleich selbst. Noch ist das Zukunftsmusik. Viele Themen werden erst erforscht – zum Beispiel im «DroneHub» im NEST der Empa, wo Drohnen und Roboter der nächsten Generation entwickelt und getestet werden. Yves Serventi, der bei Implenia Schweiz für die Division Buildings das Thema Digitales Bauen begleitet, erhielt im Rahmen eines Besuchs vor Ort einen Einblick. «In Miniatur funktioniert der Bau mit Drohnen bereits – aktuell zwar erst in der Höhe einer Kaffeetasse und in Plastik», erklärt er. Wie lange es dauern wird, bis Drohnenschwärme ein richtiges Gebäude bauen oder Fassaden warten können, wird sich zeigen.
Hier setzt Implenia auf Künstliche Intelligenz
Was aber Tatsache ist: Digitale Methoden und Tools machen Prozesse und Abläufe im Bau bereits heute effizienter. Bei BIM und Lean Construction übernimmt Implenia in vielen Projekten wie dem KSA eine Vorreiterrolle. Insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) gibt dem digitalen Bauen aktuell Aufwind und wird die Baubranche langfristig wohl revolutionieren. Implenia setzt KI-Lösungen heute schon in verschiedenen Bereichen ein:
- KI in der Planungsphase
Beim Projekt Tangenvika in Norwegen kam die KI ALICE zum Zug. Für den Auftraggeber BaneNOR baut Implenia eine mehr als tausend Meter lange Eisenbahnbrücke über den Mjøsa-See. Alice wurde in der Planungsphase eingesetzt, um zahlreiche verschiedene Szenarien für die Realisation des Projekts zu explorieren und unterschiedliche Kombinationen von Arbeitsteams und Ausrüstung zu untersuchen. Das spart schliesslich Zeit und Geld. Das Projekt wird mit BIM vollständig digital geplant und realisiert. - Für WindWorks Jelsa nutzt Implenia ALICE, um die Machbarkeit verschiedener Standorte zu bewerten und Best-Practice-Ansätze zu identifizieren. Windworks Infrastructure ist eine Zusammenarbeit zwischen NorSea Impact und Implenia Norge, die darauf abzielt, eine Produktionsstätte für den Bau von Betonfundamenten für schwimmende Offshore-Windparks zu finden und zu entwickeln.

WindWorks Jelsa: Visualisierung der künftigen Produktions- und Montageanlage für schwimmende Offshore-Windparks in Jelsa, Norwegen (Bild: ©Implenia).
- KI in der Ausführung
In der Ausführung nutzt Implenia eine KI für das automatische Analysieren und Identifizieren von ausgebrochenem Gestein, das von Tunnelbormaschinen auf dem Förderband weggeführt wird – und optimiert so die Steuerung der Maschine sowie die Qualität. - KI in der Vertragsprüfung
Zusammen mit Legartis, einem auf Vertragsprüfungen spezialisierter Dienstleister aus Zürich, entwickelt Implenia ein KI-Modul für eine automatisierte Bauwerkvertragsprüfung, was die Prüfzeit von umfassenden Verträgen in der Baubranche erheblich beschleunigen soll. - KI in der Kategorisierung und Dokumentation
Weitere KI-Anwendungen sind die automatisierte Kategorisierung von Mieteranfragen bei Wincasa oder die automatisierte Dokumentation von Baustellenbildern mit KI-gestützter Objekterkennung.
Yves Serventi: Was ist dein Job?

«Als Leiter Virtual Design und Construction (VDC) & BIM bei Implenia unterstütze ich dabei, Prozesse im Hochbau zu optimieren, um für das Unternehmen Mehrwert zu generieren. Dabei kommen auch Tools wie 3D-Modelle, Drohnen, Kameraüberwachung oder KI-Lösungen zum Einsatz. Zu 60% bin ich direkt in Projekten tätig, um die echten Herausforderungen und Bedürfnisse aus der Praxis mitzunehmen; 40% meiner Arbeitszeit widme ich der Zukunft: Ich beobachte den Markt, teste neue Technologien, unterstütze Kolleginnen und Kollegen bei der Einführung innovativer Tools und überprüfe, challenge und definiere Standards.»
Im Hochbau sieht Yves Serventi kurz- bis mittelfristig den grössten Nutzen von KI in der Auswertung grosser Datenmengen. «Für Unterstützungsprozesse bei Büroarbeiten – wie etwa die automatische Protokollierung von Meetings und das Definieren entsprechender Aufgaben – gibt es gute Tools. Auch arbeiten wir daran, Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen automatisiert zu prüfen, um diese mit unseren Kriterien abzugleichen bzw. Lücken zu erkennen», erklärt er. Für ihn bringt KI aktuell vor allem bei solchen repetitiven Office-Aufgaben Effizienzsteigerungen. Spannend bleibe, wo künftig im digitalen Bauen Fortschritte folgen, auch ausserhalb von KI.
Digital konfigurierbar: Modulbau als Chance
Grosses Potenzial misst er dem Modulbau zu, wie es Implenia zum Beispiel mit den Immobilienprodukten «Cabanne» und «Casitta» beim Projekt Dohlenweg in Zürich Oerlikon anbietet. Mit den modularen und digital konfigurierbaren Produkten kommen in der Bauphase die Vorteile der industriellen Fertigung zum Tragen. Diese ermöglicht es, die Gebäudekomponenten «off-site» in einer kontrollierten Produktion modular, seriell herzustellen, um sie «on-site» zur kompletten Immobilie zu verbinden. Dadurch verkürzt sich neben der Planungs- auch die Bauzeit. Yves Serventi: «Je mehr Wohngebäude auf diese Weise gebaut werden, desto besser können die Prozesse von der Planung, über die Produktion bis zur Logistik gesteuert werden – was sich wiederum positiv auf die Kosten und die Geschwindigkeit auswirkt.» Mit solchen innovativen Immobilienprodukten könne schnell auf Marktbedürfnisse reagiert werden, indem man zum Beispiel Wohnungstypen bereitstelle, die besonders gefragt seien – und damit auf effizientem Weg auf die Wohnungsknappheit reagieren.

Cabanne: Ein bezahlbares, wertiges Immobilienprodukt in Modulform
Technologien im Reality-Check: Wo ist der Mehrwert?
Für Implenia ist es entscheidend, neue Technologien frühzeitig zu kennen, weil sie die Chance bieten, Prozesse für den Kunden effizienter zu gestalten. Der integrierte, multinational führende Bau- und Immobiliendienstleister beobachtet deshalb die Entwicklungen beim digitalen Bauen wachsam, testet neue Technologien frühzeitig und setzt innovative Lösungen ein – oft auch als Vorreiter.
«Dabei müssen wir uns immer auch die Frage stellen: Welches Problem kann eine digitale Methode lösen? Welches Bedürfnis erfüllt das digitale Tool? Welche Effizienzsteigerung ist zu erwarten? Welchen Mehrwert bringen die Lösungen und wie wirtschaftlich sind sie», betont Yves Serventi. Oder anders gesagt: Neue Technologien müssen bei Implenia den Reality-Check bestehen. Ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis (noch) nicht gegeben, kann es auch der richtige Weg sein, eine vielversprechende Technologie vorübergehend wieder zurückzustellen – wie zum Beispiel beim Laufroboter, mit dem man den Baufortschritt scannen wollte. «Wir haben das Thema noch auf dem Radar, uns aber auch entschlossen, nicht mehr aktiv zu testen, da die Funktionalitäten noch nicht ausgereift und die Kosten zu hoch waren.»
Roboter auf der Baustelle: Forschung weit, Praxis noch nicht reif
Auf dem Bau sieht Yves Serventi den Einsatz von Robotik künftig insbesondere zur Entlastung bei schweren oder gefährlichen Arbeiten, etwa beim Transport von Baumaterialien wie Zementsäcken für Maurerarbeiten. Forschung und Entwicklung seien zwar schon weit, und Modelle wie der Tesla-Roboter zeigten grosse Fortschritte. Doch für Baustellen, die sehr dynamisch sind, sind sie noch nicht tauglich. «Die Roboter müssten sich an ständig wechselnde Situationen anpassen– und dazu sind sie noch nicht in der Lage.»
Fazit
Die Zukunft des Bauens ist digital – aber nicht jede Technologie ist marktreif. Während das Bauen mit Drohnen oder der Unterhalt von Gebäuden durch Drohnen und Roboter noch in den Kinderschuhen stecken, revolutioniert KI schon heute Planung, Baustellenprozesse und Büroarbeit. Besonders modulare Bauweisen versprechen zusätzlich Tempo- und Kostenvorteile. Entscheidend bleibt jedoch, jede Innovation kritisch zu prüfen: Nur wenn Nutzen, Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Einklang stehen, schaffen digitale Methoden echten Mehrwert für die Bau- und Immobilienbranche.



