Wirkungsvoller als jede Kommunikationskampagne

Ombeline, wie können Aussenstehende die Baustelle besichtigen?
Ombeline Bredow: Es gibt verschiedene Arten von Besichtigungen: Fachbesuche für Subunternehmer, Lieferanten, Medien usw.; Besichtigungen für die nicht-fachliche Öffentlichkeit – diese sind sehr gefragt und finden jeweils fix am Donnerstag statt - sowie die Tage der offenen Tür für die Bevölkerung, die in Zusammenarbeit mit TELT, dem Bauherrn des Projekts, im Juni 2023 und im Oktober 2024 organisiert wurden. Ich bin für die externen Besichtigungen sowie für die Organisation der Tage der offenen Tür zuständig.

«Wir haben schon mehr als 5'000 Besucherinnen und Besuchern die Baustelle gezeigt.»
Ombeline Bredow, Kommunikationsleiterin der Baustelle CO08, am Eingang zum Basistunnel der Baustelle Lyon-Turin
Wie viele Besucherinnen und Besucher empfangt ihr für diese Visiten?
Für die Aussenbesichtigungen empfangen wir durchschnittlich 800 Besucherinnen und Besucher pro Jahr, verteilt auf etwa hundert Besichtigungen. Nach drei Jahren Bauzeit sind das mehr als 2'500 Besucherinnen und Besucher. An den Tagen der offenen Tür haben wir bei der ersten Ausgabe 1'200 Besucherinnen und Besucher empfangen, bei der zweiten mehr als 1'500. Das sind insgesamt mehr als 5’000 externe Besucherinnen und Besucher, die wir auf der Baustelle begrüssen durften, um ihnen die Arbeiten zu präsentieren
Wer kommt zu den Besichtigungen?
Die öffentlichen Besichtigungen ziehen ein vielfältiges Publikum an: Vereine, Fachleute, Forschende, Studierende oder Politikerinnen und Politiker, immer in Gruppen, oft mehrere über den Tag verteilt. Unser Kunde verwaltet die Anfragen und den Kalender. Die Tage der offenen Tür sind für alle zugänglich, eine vorherige Anmeldung ist erforderlich. Die Besuchstermine sind in der Regel mehrere Tage im Voraus ausgebucht. Die meisten Besucherinnen und Besucher kommen aus der Region Rhône-Alpes, aus einem Umkreis von maximal 200 bis 300 km, aber wir hatten auch schon Besucher aus Nantes, Paris oder Bordeaux. Im Mai 2024 hatten wir die Ehre, Gabriel Attal, den ehemaligen Premierminister, in Begleitung mehrerer Regierungsmitglieder zu empfangen.

Wie läuft eine Besichtigung ab?
Die Besichtigung dauert etwa drei Stunden und findet in zwei Schritten statt. Wir beginnen mit einer Präsentation durch TELT im Konferenzraum, in der das Projekt Lyon-Turin ausführlich vorgestellt wird. Auf diesen ersten Teil folgt eine Sicherheitseinweisung, die Ausgabe und Anlegung der persönlichen Schutzausrüstung und anschliessend die Besichtigung des Tunnels. Aus Sicherheitsgründen sind die Gruppen auf sieben Personen begrenzt, die von einem Mitglied der Arbeitsgemeinschaft und einem Vertreter des Bauherrn begleitet werden.
Wie stellt ihr die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher sicher?
Die Sicherheitseinweisung umfasst mehrere wichtige Punkte: die Verwendung der Notfallmaske; die Lage der Überlebenskabinen im Brandfall; und die obligatorische Verwendung der Persönlischen Schutzausrüstung. Wir stellen ausserdem sicher, dass niemand unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, die einen Abstieg unter Tage verhindern würden.
Die Besucherinnen und Besucher erhalten dann eine Notfallmaske und ziehen sich um, bevor sie in einen Shuttlebus steigen, der sie zur Leitstelle der Baustelle bringt. Dort überprüft das Team die Bedingungen für den Zugang zum Untergrund. Der Zutritt ist bei Sprengarbeiten oder beim Laden von Sprengstoff strengstens verboten. Jeder Besucher erhält einen geolokalisierten Ausweis, um maximale Rückverfolgbarkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Der Zugang zur Abbaufront ist streng reglementiert: Nur Fachleute oder Personen mit einem berechtigten Interesse und nach Zustimmung der Geschäftsleitung haben in sehr geringer Zahl Zugang.

Was bekommen die Besucherinnen und Besucher auf der Baustelle zu sehen?
Bei der Standardbesichtigung halten die Gruppen am Eingang des Stollens an, um die Verkleidungsarbeiten und die Montage der Werkzeuge im Freien zu beobachten. Dabei sehen sie auch unsere symbolträchtige Statue der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute. Anschliessend begeben wir uns zu einem Abbaugebiet (Nebenstollen), je nach aktuellem Verkehrsplan, um die verschiedenen Phasen des Abbaus und die anstehenden Arbeiten zu erläutern. Für den Rückweg nehmen wir einen anderen Stollen und können so die für den Vortrieb verwendeten Maschinen wie Muldenkipper oder Bohrjumbos zeigen.
Was interessiert die Besucherinnen und Besucher besonders?
Die Menschen kommen in erster Linie, um den Tunnel zu entdecken und den Fortschritt der Arbeiten zu verfolgen. Wenn der Zugang zum Tunnel zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht möglich ist, leiten wir sie zum Bereich «Arc» weiter, wo sie die Brechanlage, die Wasseraufbereitungsanlage und das Förderband besichtigen können. Die häufigsten Fragen betreffen den Einsatz von Sprengstoff, die Wasser- und Aushubmaterialbewirtschaftung, den Arbeitsalltag der Arbeiter sowie die Organisation der Arbeit unter Tage. Wir haben übrigens mehrere grosse französische Medien – TF1, France 2, BFMTV, Arte – empfangen, die gekommen sind, um den Alltag der Bergleute auf der Baustelle zu dokumentieren und zu beleuchten.
Gibt es Details, die alle überraschen?
Die Leute sind immer wieder beeindruckt vom Umfang der Arbeiten und der Leistungsfähigkeit der auf der Baustelle eingesetzten Maschinen. Der Untergrund ist eine Welt für sich, mit eigenen Regeln, einer einzigartigen Atmosphäre und vor allem mit leidenschaftlichen Bergleuten, die dort mit bemerkenswertem Engagement arbeiten. Das ist eine Realität, die man sich nur schwer vorstellen kann, wenn man sie nicht selbst erlebt hat.
Welchen Zweck verfolgt ihr mit den Besichtigungen?
Die Besichtigungen dienen mehreren wichtigen Zielen. Sie sollen die Bevölkerung über den Fortschritt der Arbeiten, bevorstehende Massnahmen und bereits errichtete Anlagen informieren. Sie sollen aufzeigen, mit welcher Sorgfalt die Arbeiten durchgeführt werden: unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften, mit Kompetenz und Professionalität. Sie sollen unser Know-how sichtbar machen, indem wir die technische Komplexität unserer Baustellen präsentieren und die Kompetenzen der ARGE-Partner hervorheben. Sie dienen aber auch dem Austausch und der Inspiration, um neue Talente anzuziehen oder einfach nur Interesse zu wecken. Und sie sollen die Arbeit unserer Mitarbeiter hervorheben, die oft im Hintergrund stattfindet, aber für den Erfolg des Projekts unerlässlich ist.
Wie verbessert die Öffentlichkeitsarbeit die Beziehungen zur lokalen Bevölkerung?
Das Dorf Saint-Julien-Mont-Denis liegt direkt oberhalb der Baustelle. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Laufenden zu halten und ihnen Sicherheit zu geben. Wir ergreifen zahlreiche Massnahmen, um negative Auswirkungen des Baustellenbetriebs zu reduzieren: Alles wird streng kontrolliert, überwacht und analysiert. Aber wenn niemand darüber spricht, wenn niemand darüber berichtet, wie sollen die Menschen dann davon erfahren? Ohne Informationen bildet sich jeder seine eigene Meinung – die oft weit von der Realität entfernt ist

Warum setzt du dich so für diese Besichtigungen ein?
Ich freue mich, unseren Alltag teilen und die bemerkenswerte Arbeit unserer Mitarbeitenden hervorzuheben zu können. Das Engagement und die Solidarität auf der Baustelle erfüllen mich mit tiefer Bewunderung. Diese Besichtigungen sind auch eine hervorragende Gelegenheit, das Know-how unserer Unternehmen zu präsentieren und den Namen Implenia in Frankreich und international bekannt zu machen. Die Aufmerksamkeit von 5’000 Menschen im persönlichen Gespräch zu gewinnen, die wirklich zuhören, ist viel wirkungsvoller als eine Kommunikationskampagne im Internet! Auch wenn diese Besuche mindestens einen Tag pro Woche in Anspruch nehmen, sind sie doch äusserst bereichernd. Den Besuchern zufolge ermöglichen sie den Austausch von Erfahrungen, die Schaffung von Synergien, die Vermittlung von Kontakten zu den richtigen Personen und die Erweiterung des eigenen Netzwerks.
Das TELT-Projekt

Das Eisenbahnprojekt Turin–Lyon ist eine im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitsstrecke. Das Herzstück dieses Projekts ist der 57,5 km lange Mont-Cenis-Basistunnel, der eine neue Eisenbahnachse zwischen Lyon und Turin bildet. Die gesamte Neubaustrecke umfasst rund 270,8 km, davon 140 km in Frankreich und 46,7 km in Italien. Das Projekt ist ein wichtiger Bestandteil der europäischen Schieneninfrastrukturplanung und wird von der EU unterstützt. Es soll den Eisenbahn-Transitverkehr in Ost-West-Richtung zwischen Frankreich und Italien beschleunigen und ist Teil der TEN-Eisenbahnachse Nr. 6 zwischen Lyon und Budapest.
Implenia ist Teil des TELT-Projekts, das den Bau des Mont-Cenis-Basistunnels umfasst. Implenia wurde 2021 beauftragt, das Los 3 des Tunnels zu bauen, gemeinsam mit den ARGE-Partnern NGE, Rizzani De Eccher und Itinera Spa1. Das Projekt umfasst den Bau von zwei 2'839 m langen Röhren in Richtung Italien, inklusive 11 Sicherheitsquerschlägen und 140 m Tagbautunnel.
Kennzahlen
| 5,6 km | zu grabender Tunnel |
| 1'018 m | in Regenschirmgewölben |
| 1'078 | Bögen zu verlegen |
| 11 | Sicherheitstriebwerke |
| 600'000 m3 | Erdarbeiten |
| 2'700 m2 | akustischer Hangar |
| über 127'000 m2 | Baustelleneinrichtung |
| 5 Jahre | Bauzeit |
| EUR 228 Mio. | Auftragsvolumen |
| Über 300 Personen | in Spitzenzeiten vor Ort |







