Teamwork gegen die Stoppuhr
Kaum begonnen und schon im Schlussspurt: Wo bis zum Spatenstich im Mai 2021 im Irchel-Park noch grüne Wiese war, präsentiert sich knapp ein Jahr später das neue zweistöckige Laborprovisorium im Rohbau. Die zahlreichen vorinstallierten Rohre für Lüftung und Kühlung sowie ein ausgebauter Kühlraum lassen den Zweck des Provisoriums erst erahnen. «Wir sind jetzt am Innenausbau. Demnächst werden die Labormöbel geliefert», sagt José Pedro Castro, Projektleiter Ausführung von Implenia, bei unserem Baustellenbesuch vom April 2022.
Im nahenden Hochsommer wird das Gebäude schlüsselfertig an die Bauherrschaft übergeben, sodass ab Spätherbst 2022 rund 80 Mitarbeitende und wissenschaftliche Gäste ihre Arbeit im neuen Laborprovisorium Functional Genomics Center Zurich (FGCZ) aufnehmen können. Ab dann wird sich hier alles um Genomforschung drehen, ein Teilgebiet der Genetik. Betrieben wird das FGCZ als gemeinsame Forschungs- und Ausbildungsplattform für Genomforschung von der Universität Zürich (UZH) und der ETH Zürich. Um die unterschiedlichen Arbeitsbedürfnisse abzudecken, entstehen auf rund 3000 m² Fläche über zwanzig verschiedene Raumtypen. Die Gerätelabore bilden das Herzstück dieser für die Schweiz einzigartigen Forschungsplattform.
Ehrgeiziger Zeitplan
Der Zeitplan für das Provisorium ist von Anfang bis Schluss eng getaktet: Nach der siegreichen Teilnahme am Gesamtleistungswettbewerb erhielt Implenia im April 2021 den Auftrag zur Planung und Ausführung, die definitive Baufreigabe für das Gebäude in Holz und Beton erfolgten nach diversen Teilbaufreigaben im Oktober. Bis zur Schlüsselübergabe bleibt nicht mehr viel Zeit. Doch von Hektik ist auf der Baustelle bei unserem Besuch nichts zu spüren. Woran liegt das? «Dieser extrem sportliche Zeitplan ist nur möglich, weil wir viele Ausführungsarbeiten bündeln konnten, weil die Zusammenarbeit mit dem exzellenten Planerteam und der Bauherr- und Nutzerschaft eng und partnerschaftlich ist und weil wir ein Team vor Ort haben, dass agil arbeitet», zeigt Knut Brunier, Implenia-Planungsleiter für Gesamtleistungswettbewerb und Planung, die Erfolgsfaktoren auf. Für den gesamten Prozess förderlich sei auch, dass sich das Planungsteam bereits vom Projekt auf dem Empa-Campus Dübendorf kenne, wo Implenia den Neubau eines Laborgebäudes, eines Multifunktionsgebäudes sowie eines Parkhauses realisiert.
«Dank dem Einbezug eigener Gewerke konnten wir trotz Zeitdruck flexibel auf Änderungen reagieren.»
Knut Brunier, Gesamtprojektleiter
Besonders zum Tragen gekommen ist beim Bauvorhaben auf dem Campus Irchel in Zürich auch die Fähigkeit von Implenia, hochkomplexe Projekte als Totalunternehmer zu handhaben, indem verschiedene eigene Gewerke vorzeitig einbezogen werden. «Tiefbau und Holzbau waren über den ganzen Prozess hinweg involviert – vom Gesamtleistungswettbewerb über die Planung bis zur Ausführung», so Brunier.
So war der Holzbau von Implenia mitverantwortlich für die Erstellung des Tragwerks, die eine vorgefertigte Holzständerkonstruktion in der Fassade sowie die vorgefertigten Holzdecken als Teil einer Hybriddecke aus Beton und Holz umfasste. «Unser Holzbau hat uns sowohl in der Planung, der Kostenoptimierung, Auswahl des Holzes sowie im Bauablauf und der Koordination mit den anderen Gewerken und Fachplanern optimal unterstützt.»
Spezielle Anforderungen an die Gebäudetechnik
Und auch die Gebäudetechnik von Implenia ist seit der Auftragsvergabe eingebunden. «Allein schon die vielen Medien wie Stickstoff in verschiedenen Klassen, Argon, Helium oder Osmosewasser, die hier zum Einsatz kommen, verdeutlichen, wie speziell die Anforderungen an die Gebäudetechnik in einem Labor sind», sagt Ronny Caduff, Projektleiter Planung und Ausführung Gebäudetechnik. Hinzu kämen nur zum Beispiel unterschiedlichste Spezialteile, Laborkapellen als technisches Equipment oder die Anbindung der Steuerungen ans Leitsystem der Universität. «Was wir hier im Laborprovisorium umsetzen, ist alles andere als herkömmlicher Wohnungsbau.» Ein enger Austausch mit den Laborplanern und wöchentliche Begehungen mit den künftigen Nutzerinnen und Nutzern sind hier ebenso erforderlich wie die höchst präzise Ausführung, die von Lukas Bürgler, Bauleiter Gebäudetechnik von Implenia, verantwortet wird.
Dank dem Einbezug eigener Gewerke wurden nicht nur Kompetenzen aus einer Hand eingespielt. Vielmehr bestand auch die Möglichkeit, unter Abwägung der Risiken und in Absprache mit den Behörden rollend zu planen sowie Terminüberschneidungen zuzulassen und so die Kontrolle über den Prozess in allen Phasen beizubehalten. «Wir konnten zum Beispiel mittels zweier Teilbaufreigaben bereits mit dem Bau beginnen, obwohl eine Änderungseingabe für die Fassade und die Dachgestaltung noch in Planung und anschliessend in Bearbeitung waren», sagt der Planungsleiter.
Besondere Ansprüche – besondere Kompetenzen
Doch nicht nur zeitlich, sondern auch bezüglich Komplexität ist das Laborprovisorium eine spezielle Herausforderung für das Implenia-Team. Der Einzug von schwingungsarmen Böden, der nicht von Anfang an vorgesehen war, die Sicherstellung des optimalen Verhältnisses von Luftfeuchtigkeit und die Ausgestaltung der Laborarbeitsplätze, welche die wissenschaftlichen Mitarbeitenden des FGCZ definiert haben, sind nur drei Beispiele, die dies verdeutlichen. «Es ist für uns eine Aufgabe, die wir nicht täglich ausführen. Umso vorteilhafter ist es, dass wir auf verschiedene Kompetenzen und ein sehr motiviertes und agiles Team zugreifen können», sagt José Pedro Castro.
Modular nachhaltig
Optisch macht das Gebäude schon beim Baustellenbesuch den Anschein, als ob es gebaut würde, um zu bleiben. Jedoch ist das Nutzungskonzept auf 15 Jahre beschränkt. Nach Ablauf dieser Zeit wird das Genomforschungscenter wieder an den heutigen Standort auf dem Irchel Campus ziehen, der in den kommenden Jahren und nach einer anderweitigen Zwischennutzung saniert werden wird. An die Nachhaltigkeit stellt das Provisorium deshalb besondere Ansprüche. «Wir arbeiten mit vorgefertigten Holzmodulen, die einen einfachen Rückbau ermöglichen», sagt José Pedro Castro. Zudem können Einzelteile getrennt wiederverwendet bzw. rezykliert werden. Und nicht zuletzt wird das Gebäude im MINERGIE-P-ECO-Standard gebaut und strebt die SGNI «Gold»-Zertifizierung an.
«Besonders herausfordernd ist der technisch sehr anspruchsvolle und nicht alltägliche Innenausbau des Labors.»
José Pedro Castro, Projektleiter
Vertrauensvoll, flexibel und partnerschaftlich: Das sind die drei treffenden Begriffe für die Form der Zusammenarbeit. «Das beginnt beim Austausch mit den Verantwortlichen der Baudirektion des Hochbauamts des Kantons Zürich und endet hier beim Team auf der Baustelle», sagt Brunier. «Die Erfahrung zeigt einmal mehr: Je früher die beteiligten Personen involviert werden, desto stärker fühlen sie sich dem Projekt verpflichtet und desto effizienter gestaltet sich die Zusammenarbeit.» Bei Projekten wie dem Laborprovisorium auf dem Campus Irchel ist dies aber nicht nur eine zu begrüssende Begleiterscheinung, sondern ein zwingender Faktor: Ohne das gemeinsame am Strang ziehen wäre dieses Projekt in diesem engen Zeitrahmen nicht möglich gewesen.
Laborprovisorium Campus Irchel in Zürich
Das Functional Genomics Center Zurich (FGCZ), eine gemeinsame Forschungs- und Ausbildungsplattform der Universität Zürich (UZH) und der ETH Zürich, wird auf einer Gesamtfläche von rund 3000 Quadratmeter Fläche Platz für 80 Labormitarbeitende und wissenschaftliche Geräte bieten. Für den Bereich ausserhalb der Labore ist ein neuartiges Bürokonzept vorgesehen, das unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit ermöglicht. Das neue Provisorium ist Teil der ersten Bauetappe am Campus Irchel und stellt mit einer auf 15 Jahre beschränkten Nutzungsdauer besondere Ansprüche an die Nachhaltigkeit.
Bauherrschaft: Baudirektion des Kantons Zürich (Hochbauamt)
Bauvolumen: ca. 12'500 Kubikmeter
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