Mehrwert durch Partnerschaft
Bei allem technischen Fortschritt – etwas hat sich seit dem Bau der Pyramiden nicht verändert: Grosse Bauvorhaben involvieren viele Beteiligte. Und wenn bei Grossprojekten Probleme auftreten, liegt das oft an einer gescheiterten Zusammenarbeit. Das zeigten in den Jahren 2014/15 umfangreiche Untersuchungen und Analysen zu Projektschlappen wie dem Bau des neuen Berliner Flughafens oder der Elbphilharmonie, die kurz hintereinander für Negativschlagzeilen sorgten und in Deutschland zu einem massiven Vertrauensverlust bezüglich der heimischen Ingenieurs- und Architekturkompetenz führten.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie war massgeblich beteiligt an der Erarbeitung eines zehn-Punkte-Plans und löste damit in der Branche eine Initialzündung aus. Festgeschrieben wurden partnerschaftliche Abwicklungs- und Vertragsmodelle und folglich ein anderer Umgang, faire Risikoverteilung, offenere Vertragswerke und der wirkungsvolle Einsatz von Building Modeling Information (BIM) oder Lean Construction in Projekten.
«In der Branche hat ein Umdenken stattgefunden.»
Matthias Jacob, Country President und Head Buildings Deutschland
Acht Jahre danach hat sich die Art der Zusammenarbeit in Deutschland denn auch grundlegend geändert, findet Matthias Jacob, Country President und Head Buildings Deutschland. «In der Branche hat ein Umdenken stattgefunden, vor allem im Hochbau, wo wir es zumeist mit einer privaten Bauherrschaft zu tun haben. Unser Projektportfolio widerspiegelt diesen Wandel: Wir arbeiten grösstenteils sehr partnerschaftlich zusammen», erklärt er. Und fügt hinzu: «Der Tiefbau mit seinen zumeist öffentlichen Auftraggebern hinkt trotz erster erfolgreicher Beispiele bei dieser Entwicklung leider noch hinterher.»
Der Gesamtprojekterfolg im Fokus
Ähnlich präsentiert sich die Lage in der Schweiz, wo laut Jens Vollmar, Leiter Division Buildings, die klassischen Projektabwicklungsmodelle häufig ineffiziente Anreizstrukturen festigen. «Nach Vertragsabschluss beginnen zwischen den Beteiligten oft schon mit den ersten neuen Erkenntnissen Diskussionen zu Verantwortlichkeiten und Schuld, was nicht selten zu Fehlallokation von Ressourcen führt», kommentiert er die gängige Praxis. «Neue Erkenntnisse sind bei komplexen Projekten gar nicht vermeidbar. Um Ineffizienz, Zeitverlust und Qualitätseinbussen zu verhindern, müssen alle Beteiligten auf den Gesamtprojekterfolg hinarbeiten, anstatt zu versuchen, selbst möglichst gut wegzukommen.»
Welches Partnerschaftsmodell für welches Bauprojekt? So funktioniert die Zusammenarbeit mit Implenia
Wie können neue Zusammenarbeitsmodelle solche Fehlschläge und daraus resultierende Rechtsfälle verhindern? Matthias Jacob: «Das Wichtigste ist die Bekenntnis zu einem partnerschaftlichen Vorgehen. Das beginnt schon vor der Planung, wenn man sowohl den Bauherrn als auch möglichst viele Beteiligte an einen Tisch holt. Wenn Fachleute aus den verschiedensten Bereichen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, steigt die Chance, mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Insgesamt verringern sich so Termin-, Kosten- und Qualitätsrisiken.»
Der Bauherr als Partner
Rechtlich funktioniert der Ansatz durch zwei- oder dreistufige Vertragsmodelle für das Kennenlernen, das Aufsetzen des Projekts und die tatsächliche Ausführung. Die Folge ist dann oft, dass bei Grossprojekten Monate ins korrekte Aufsetzen eines Projekts investiert werden. Und dass zwar Kostenziele vereinbart werden, aber niemand vertragliche Risiken übernimmt, die noch nicht klar sind. «Von einer Gesamtprojektsumme von EUR 180 Mio. werden in einem ersten Schritt vielleicht nur EUR 70 Mio. kostenmässig klar vereinbart», erklärt Jens Vollmar. «Die restlichen Budgetpositionen werden im Laufe des Projekts gemeinsam mit den Nachunternehmen entwickelt.»
Dieses partnerschaftliche Zusammenarbeitsmodell kommt allen Beteiligten zugute, auch wenn Bauherren oft das Gefühl haben, damit auf Privilegien verzichten zu müssen. Die Erfahrung zeigt, dass auch Auftraggeber nur gewinnen können: Anstatt auf die Einhaltung von 300 bis 400 Einzelverträgen achten zu müssen, profitieren sie von der Teamarbeit aller Beteiligten und haben damit in den allermeisten Fällen früher und günstiger eine qualitativ hochwertigere Immobilie zur Verfügung, welche die gewünschte Rendite erzielt.
«Wir wollen partnerschaftlich bauen. Einfach weil es für alle Beteiligten mehr Sinn ergibt.»
Marc Bosch Geschäftsführer Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH
Es erstaunt daher nicht, dass Bauherren, die Erfahrungen mit partnerschaftlichem Bauen gesammelt haben, auf diese Art der Zusammenarbeit schwören. Wie Implenia Kunde Marc Bosch, Geschäftsführer Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH, der betont: «Wenn es uns gelingt, Vertrauen aufzubauen, uns auf gemeinsame Ziele zu verständigen und die Interessen aller Parteien gut auszubalancieren, erzielen wir unter dem Strich deutlich bessere Ergebnisse.»
Um diese Botschaft zu verbreiten und damit fortschrittlichere Vertragsmodelle auch im deutschen Tiefbau und in der Schweiz zu propagieren, engagieren sich sowohl Matthias Jacob als auch Jens Vollmar aktiv in Verbänden. «Wir versuchen, vor allem auch die öffentliche Hand und Architekten von den Vorteilen zu überzeugen», erklärt Jens Vollmar. Zu diesem Zweck hat der Schweizerische Baumeisterverband eine Publikation mit dem Namen «Mit dem richtigen Zusammenarbeitsmodell zum Projekterfolg» herausgegeben.
Die Zukunft: Integrierte Projektabwicklung
Gleichzeitig versucht sich sein Team aktiv in neuen Zusammenarbeitsmodellen und arbeitet etwa bei der Entwicklung eigener Projekte mit der Methode IPD (Integrated Project Delivery). Die Methode stammt aus den USA und hat sich dort als Alternative zu traditionellen Formen der Projektabwicklung etabliert.
ZUSAMMENARBEITSMODELL DER ZUKUNFT - INTEGRATED PROJECT DELIVERY (ipd)
Im Deutschen auch als Integrierte Projektabwicklung (IPA) bekannt, zielt IPD darauf ab, Effizienz bei Immobilienprojekten zu steigern und Ergebnisse zu verbessern. Mit dem Ansatz wird in der Projektarbeit ein Umfeld geschaffen, das Zusammenarbeit, Innovation und Wertschöpfung fördert. Dabei fliessen auch Ansätze der Lean Management-Philosophie ein.
FÜNF GLEICHWERTIGE KERNELEMENTE:
Frühzeitige Einbindung der Stakeholder: Kontinuierliche Zusammenarbeit von Auftraggebern, Planenden und Ausführenden von Projektbeginn bis -abschluss
Gemeinsame Chancen- und Ertragsstrategie: Erfolgsabhängige und transparente Vergütung aller Projektbeteiligten nach dem Motto «Alle gewinnen oder alle verlieren»
Gemeinsames Projektmanagement: Alle Projektteammitglieder arbeiten auch über Unternehmensgrenzen hinweg integriert, gleichberechtigt und tragen gemeinsam die Verantwortung für den Projekterfolg
Mehrparteienvertrag zwischen Bauherren, Planern und ausführenden Unternehmen: Zwischen allen Beteiligten werden die Ziele gemeinsam ausgerichtet und die Zusammenarbeit hinsichtlich Kultur, Organisation, Methoden und Prozessen geregelt sowie das Vergütungssystem vereinbart
Haftungs- und Projektversicherung: Gegenseitige Haftungsausschlüsse fördern eine gemeinsame Ausrichtung der Interessen und ermöglichen vertrauensvolles Arbeiten
«Bei partnerschaftlichen Mehrparteienverträgen wie IPD profitieren alle Beteiligten vom Projekterfolg», erklärt Jens Vollmar. «Ebenso haften sie automatisch mit, wenn durch die Schuld eines der Partner etwas schiefläuft. Mit so einem Modell hat man plötzlich andere Diskussionen: Wenn zum Beispiel der Statiker einen Berechnungsfehler gemacht hat, war das bis anhin das Problem des Totalunternehmers, des Bauingenieurs oder seiner Versicherung. Heute versuchen in so einem Fall alle Partner gemeinsam, Lösungen zu finden: Gewicht rauszunehmen, andere Verfahren zu wählen. Das hilft dem Projekterfolg viel mehr als die Frage, wer das vertragliche Risiko zu tragen hat.»
«Mit partnerschaftlichen Verträgen profitieren alle vom Projekterfolg.»
Jens Vollmar
Die neue Art von Miteinander erfordert ein Umdenken – und Überzeugungsarbeit oft auch innerhalb der eigenen Reihen. «Bei vielen Mitarbeitenden ist dieser neue Mindset schon sehr gut verankert», findet Matthias Jacob. «Mancherorts tun wir uns aber auch noch schwer. Die Bauindustrie war so viele Jahre lang im Kampfmodus, das ändert sich nicht von heute auf morgen.»
Der Wandel lässt sich vor allem durch Vorleben aktiv steuern, ist er überzeugt. Und manchmal muss man auch die Zusammensetzung von Teams verändern, um zum Ziel zu kommen. Wie sehen Powerteams für das partnerschaftliche Bauen der Zukunft aus? Matthias Jacob: «Zentral für gute Zusammenarbeit ist, dass man sich in den Standpunkt der oder des Anderen hineinversetzen kann, die andere Position sowohl erkennt als auch versteht. Wenn das gelingt, gibt es in Projekten nur Gewinner, keine Verlierer.» Und Jens Vollmar ist überzeugt: «Zusammenarbeit funktioniert dann, wenn man sich intern wie extern frühzeitig und transparent austauscht. Dazu gehört eine offene Feedbackkultur – ohne Rücksicht auf Hierarchien und Rollen. Nur so kann man Herausforderungen lösen, ehe sie sich zu massiven Problemen entwickeln.»