«Ich wollte ins Gebirge»
Für Julia Geist ist der Sommer keine Zeit fürs süsse Nichtstun: Die Baustelle an der Grimsel ist nur sechs Monate im Jahr schneefrei, in der Zeit arbeiten rund 100 Menschen in mehreren Schichten daran, die neue, doppelt gekrümmte Bogenstaumauer bis 2025 Block für Block in die Höhe wachsen zu lassen.
Keine Angst vor Verantwortung
Als Bauführerin ist Julia für die Materialbewirtschaftung zuständig – eine herausfordernde Aufgabe auf dieser Baustelle. Es ist ein spezieller Beton mit sehr hohen Anforderungen. Er enthält Gesteinskörnungen von bis zu 125 mm Durchmesser und wird in einer baustelleneigenen Betonanlage direkt auf dem Installationsplatz am Fuss der Mauer hergestellt. Im Baustellen-Labor, das in einem der Stollen der Mauer installiert ist, wird er täglich mehrmals geprüft.
LASS DICH VON UNSEREM TEAM AUF DER BAUSTELLE HERUMFÜHREN!
Das Material für die Betonherstellung stammt aus dem nächsten Umfeld, wie Julia betont: «Wir gewinnen das Gestein selbst. Zuerst haben wir dafür den Felsabtrag für die Staumauer wiederverwertet. Inzwischen nutzen wir das Material aus einer altrechtlichen Deponie aus dem letzten Jahrhundert, die damals für Stollenausbrüche und den Kraftwerksbau im gesamten Grimsel-System verwendet wurde.»
Bis das Gestein für die Betonherstellung genutzt werden kann, sind einige Arbeitsschritte notwendig, die qualitativ und zeitlich aufeinander abgestimmt sein müssen, wie Julia betont: «In der Deponie hat sich im Laufe der Jahre allerhand Abfall angesammelt. Wir entfernen nicht nur Plastik und Holz, zum Teil finden wir auch alte Fahrzeuge. Auf der Suche nach Material für die Staumauer räumen wir hier richtig auf, um am Ende auch ein qualitatives Gestein gewährleisten zu können.»
Das selbst vorgebrochene Rohmaterial kommt ins Kieswerk und wird dort weiter gebrochen, gewaschen und gesiebt und so für die verschiedenen Gesteinskomponenten für den Beton aufbereitet. «Anschliessend fahren wir es rund 3 km mit mehreren Lastwagen in unterschiedlichen Rotationen hinauf zum Betonwerk und füllen es dort in die entsprechenden Silos und Lagerplätze», so Julia. «Zement, Flugasche und die Betonchemie sind das Einzige, das wir für die Betonherstellung vom Tal heraufschaffen müssen.»
Um sicherzustellen, dass die täglich benötigten 500 m³ Staumauerbeton rechtzeitig und in der entsprechenden Qualität zum Betonieren zur Verfügung stehen, ist einiges an Koordinationsaufwand nötig. Julia hat Freude an der Arbeit: «Als ich als junge Bauführerin hier anfing, musste ich mich schon erst einmal beweisen, aber die anfängliche Skepsis einiger hat sich bald gelegt. Wir alle wissen: Diese herausfordernde Aufgabe mit so vielen Schnittstellen, die alle qualitativ und zeitlich abgestimmt werden müssen, können wir nur als Team bewältigen – wenn wir gut zusammenarbeiten, profitieren alle.»
Wie geht es ihr als Flachländerin – sie stammt aus Nordrhein-Westfahlen – in der rauen Schweizer Bergwelt? «Ausgezeichnet», lacht sie. «Ich wollte ja unbedingt hierher! Während meines Studiums hatte ich am Projekt U81 in Düsseldorf mitgearbeitet. Als ich meinen Abschluss in der Tasche hatte, suchte ich nach einer super Herausforderung an einem schönen Ort. Da konnte mir Implenia eine sehr gute Möglichkeit anbieten.»
Julia liebt die Berge und geniesst den neuen Wohnort, rund 60 Minuten von der Baustelle entfernt unten im Tal. «Mein Partner hat gleichzeitig eine Stelle in der Gegend gefunden. Nun geniessen wir die Bergwelt vor allem in den Wintermonaten auf den Skiern. Dann ist weniger für die Baustelle zu tun und man hat etwas mehr Zeit für die Aktivitäten in den Bergen.»
Neben der Lebensqualität im Ferienparadies schätzt Julia auch die Tatsache, dass sie so früh in ihrer Laufbahn diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekommt. «Ich sehe hier täglich, was ich mit meinem Team bewegen kann, und das macht mich stolz. Jetzt muss ich nur noch eine Herausforderung bewältigen: Die unterschiedlichsten Varianten des Schweizerdeutschs perfekt verstehen zu lernen. Das Team hier ist wirklich bunt gemischt und als Deutsche stosse ich sprachlich zuweilen an meine Grenzen, aber es macht unfassbar viel Spass, die Schweizer Kultur auf diese Weise kennenzulernen.»
Bau der Ersatzstaumauer Spitallamm
Die Kraftwerke Oberhasli AG ersetzen von 2019 bis 2025 die bestehende Staumauer mit einer neuen. Die alte Mauer ist sanierungsbedürftig, sie bleibt jedoch erhalten und wird später geflutet. Mit dem Ersatzneubau der Spitallamm Mauer stellt die KWO sicher, dass das Wasser aus dem Grimselsee langfristig ohne Einschränkung für die Stromproduktion genutzt werden kann.