Eine Aufgabe mit Sinn, Sichtbarkeit und Sicherheit

Das Interview wurde von Remi Buchschacher geführt und ist am 16. September 2025 im Original auf der Plattform RealEstateMove erschienen.
Sie übernehmen Wincasa als CEO in einer Zeit, in der die Bewirtschaftung medial oft kritisiert wird. Die Sugus-Häuser sind dabei nur ein Beispiel. Doch auch sinkende Honorare und der Fachkräftemangel stehen im Raum. Wie gehen Sie damit um?
Philipp Schoch: Die öffentliche Diskussion, wie beispielsweise um die Sugus-Häuser in Zürich, verdeutlicht die Sensibilität und Emotionalität des Themas Wohnen. Aus diesem Grund haben wir unser Target Operating Model (TOM) eingeführt und die Organisation klar entlang der Nutzungsklassen Wohnen und Kommerzielle Immobilien getrennt. Dadurch bündeln wir unsere Expertise, verkürzen Wege und schaffen eindeutige Zuständigkeiten – neu bis hin in die Geschäftsleitung.
Zum Fachkräftemangel: Hier bietet TOM neue Funktionen. Früher gab es nur die Bewirtschafter und Bewirtschafterinnen, die alle Funktionen ausgeübt haben. Wir haben die Aufgabenbereiche nun aufgeteilt und es gibt neu zum Beispiel Vermietungsspezialisten, welche Wohnungen zeigen, abnehmen und übergeben. Wir müssen nun nicht mehr nur Fachkräfte suchen, die alle Funktionen abdecken, sondern können bei der Suche gezielter vorgehen und wir können beispielsweise auch Quereinsteiger schneller aufbauen. Das eliminiert zwar den Fachkräftemangel nicht ganz, doch die Suche wird dadurch etwas einfacher.
Wie reagiert der Markt bezüglich Automatisierung?
Sinkende Honorare zwingen uns zur Automatisierung. Dies ist teilweise vorteilhaft, kann jedoch auch zu weniger persönlichem Kontakt führen. Ich setze mich dafür ein, dass die Bewirtschaftung zu keinem reinen Massengeschäft wird, bei dem nur noch der Preis zählt. Davon profitiert niemand. Daher müssen die Auftraggeber den Wert unserer Dienstleistungen erkennen. Glücklicherweise sind wir in einem Marktsegment tätig, hauptsächlich institutionelle Kunden, wo dies noch anerkannt wird.
Wo sehen Sie derzeit die grössten Herausforderungen in der Bewirtschaftung?
Ich sehe sie in drei wesentlichen Punkten: Erstens Servicequalität und Geschwindigkeit: Erreichbar sein, transparent kommunizieren und im Schadensfall verbindlich liefern. Hier sind immer viele Parteien involviert, und es ist wichtig, dass alles richtig abläuft. Es ist sozusagen die Königsdisziplin. Zweitens Kompetenz am richtigen Ort: Deshalb konzentrieren sich die TOM-Teams auf B2C (Wohnen) beziehungsweise B2B (Gewerbe). Drittens Wirtschaftlichkeit: Honorare unter Druck erfordern Skaleneffekte und Automatisierung. Dabei ist es ganz wichtig, dass in diesem Spannungsfeld die Kundennähe erhalten bleibt.
Philipp Schoch ist neuer CEO von Wincasa. Per 1. Juli 2025 hat Philipp Schoch die Rolle als CEO der Wincasa AG übernommen. Mit mehr als 15 Jahren Erfahrung im Unternehmen bringt er umfassendes Know-how in der Immobilienbewirtschaftung, im Aufbau neuer Geschäftsfelder und in der Führung grosser Teams mit.
Die Verdichtung ist ein raumplanerisches Muss, um die Bevölkerung mit genügend Wohnraum zu versorgen und die Zersiedelung zu stoppen. Doch sie stösst an ihre Grenzen und wird stark kritisiert. Betroffen sind auch die Mieterinnen und Mieter. Welche Reaktionen gelangen zu Ihnen?
Wir spüren den Nachfrageüberhang und die Angebotsknappheit natürlich sehr. Besonders dann, wenn wir in Ballungszentren die Besichtigungstermine auf eine bestimmte Anzahl Personen limitieren müssen. Das führt zu Unverständnis bei den Wohnungssuchenden. Bei Verdichtungsprojekten kann es auch zu sozialen Spannungen innerhalb von Liegenschaften und Überbauungen kommen. Wir versuchen, diese mit guter Kommunikation und unseren Dienstleistungen im Bereich Real Estate Community Management sowie unserem Siedlungscoaching aufzufangen. Diese Dienstleistungen wachsen stark und bekommen einen immer grösseren Stellenwert. Auf diese Weise wollen wir die Verdichtung sozial verträglich und qualitätsvoll begleiten.
Wincasa führte letztes Jahr in der Bewirtschaftung das System TOM (Target Operating Model) ein. Wie geht Wincasa ein solches TOM-Projekt an?
Das Projekt hat sich sehr gut entwickelt. Auslöser dazu war die Strategiephase 2019. Wir sind überzeugt, dass es die klassische Bewirtschaftung wohl in einigen Jahren nicht mehr in der bisherigen Form geben wird. Deshalb haben wir uns völlig neu aufgestellt. Wie bringt man nun ein solch grosses Projekt über die Jahre hinweg ins Ziel? Da gab es zwei entscheidende Faktoren: der eine war ein internes Projektteam, das von Anfang bis Schluss dabei war und sich stark dafür einsetzte. Der zweite Faktor waren unsere externen Challenger, die uns durch das Projekt hindurch «pushten». Es braucht den Mut und den Willen für einen Neustart, wenn so ein Projekt zwischendurch auch mal zu scheitern droht. Jede Bewirtschaftungsorganisation ist herausgefordert durch das Tagesgeschäft, das uns voll in Anspruch nimmt. Da geht es nicht ohne ein Projektteam mit Biss und mit Zeit das ein solches Grossprojekt umsetzt.
Welche Erfahrungen machten Sie bisher?
Die Erfahrungen sind bisher sehr gut. Die klare Fokussierung auf Wohnen und Gewerbe macht es uns einfacher, die unterschiedlichen Mieterbedürfnisse zu befriedigen. Diese Fokussierung kommt auch bei den Immobilieneigentümern sehr gut an. Das Projekt war so gut, dass wir es nun auch auf Stufe Geschäftsleitung verankert haben. Die Frage, ob es etwas gebracht hat, beantworten am Schluss immer die Kunden und die Mitarbeitenden und bei beiden sind die Reaktionen nach einer Befragung sehr gut.
Sie haben auch ein Performance Management eingeführt. Was ist darunter zu verstehen?
Als Bewirtschaftungsteam hat man viele Pendenzen – da stellt sich die Frage:
Was ist wichtig? Es geht also um die KPIs, die messbaren Werte, wie ein Projekt oder ein Team seine festgelegten Ziele erreicht. Hier geben die beiden Kundenkategorien – Mieter und Eigentümer – täglich, wöchentlich oder monatlich ihre Feedbacks zur Leistung ab. Das stellen wir grafisch dar. Daraus ist eine Performance-Wand mit Screens an jedem Standort entstanden, worauf mit Zahlen alle wichtigen Dienstleistungen dargestellt werden. So sieht das ganze Team auf einen Blick, wie der eigene Standort performt und wo es allenfalls Gegensteuer geben muss. Und damit das auch ein Ansporn für die Teams ist, haben wir Awards eingeführt mit Preisen für die besten Teams, die vierteljährlich eingelöst werden können. Denn das neue Bewirtschaftungsmodell soll auch messbare Erfolge für die Eigentümer der Liegenschaften liefern.
Sie führen ein Unternehmen, in dem der Mensch nach wie vor im Mittelpunkt steht. Wie schaffen Sie es, bestehende Mitarbeitende und neue Talente für den stetigen Wandel zu begeistern?
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es wichtig, eine Aufgabe mit Sinn, Sichtbarkeit und Sicherheit zu haben. Und als Arbeitgeber ist es wichtig, diese Eigenschaften anzubieten und vorzuleben. Konkret: Wir zeigen auf, wie TOM den Alltag erleichtert, machen die Fortschritte über KPIs sichtbar und investieren in Trainings und Weiterbildungen sowie in ein dediziertes Quality Management.
Wichtig ist aus unserer Sicht auch die Transparenz mit neuen Formaten wie beispielsweise dem CEO-Talk als Live-Stream mit Gästen oder einem Podcast für alle Mitarbeitenden nach den Geschäftsleitungssitzungen. So werden Entscheidungen transparent, verständlich und zeitnah kommuniziert. Veränderung ist kein Projekt, sondern eine Konstante. Schlussendlich wichtig für die Zufriedenheit bei der Arbeit sind aber auch das Team und die direkten Vorgesetzten.
Für die Kunden sind die Themen «Innovation» und «Digitale Transformation» sehr wichtig. Wie gehen Sie bei Wincasa diese Herausforderungen an?
Wenn wir von digitaler Innovation sprechen, brauchen wir konkrete Use Cases. Also was möchten wir genau verbessern? Nehmen wir als Beispiel den digitalen Onboarding-Prozess: Wenn der Interessent zum Mieter wird, läuft vieles über E-Rent, den digitalen Mietvertrag. Mit der App Wincasa Home lässt es sich als Mieter oder Mieterin einfach mit der Verwaltung kommunizieren. Ein KI-Chatbot hilft dort, die wichtigsten Fragen zu beantworten. Es geht weiter über eine Handwerker-Plattform für Schadensfälle bis zu digitalen Aushängen, damit Erreichbarkeit, Durchlaufzeiten und Qualität messbar besser werden. Die Innovation zeigt sich auch in neuen Produkten. Unsere Abteilungen Business Development und Consulting & Sustainability arbeiten eng zusammen und übersetzen beispielsweise Nachhaltigkeitsdaten in auditierbare Reports für alle Arten und Grössen von Liegenschaften und Portfolios.
Noch kurz zu Ihnen persönlich: Sie übernehmen Wincasa als CEO und sind schon lange im Betrieb tätig. Welche Visionen möchten Sie nun realisieren?
Ich bin nun seit bald 18 Jahren bei Wincasa und durfte alle paar Jahre eine neue Funktion einnehmen und auch verschiedene Abteilungen leiten. Was unsere Kerndienstleistungen und die Kundenerwartungen betrifft, bringe ich deshalb einen guten Rucksack mit. Eine Vision ist es, eine sehr gute Bewirtschaftungsqualität mit messbarem Serviceerlebnis zu erreichen und somit das Kerngeschäft zu stärken. Das darf man nie aus den Augen lassen. Dafür richten wir die Organisation konsequent an den Nutzungsklassen aus, schaffen klare Zuständigkeiten und koppeln operative Exzellenz mit Innovation. Der Markt bestätigt unseren Kurs – neue Mandate wie ADPK, BLKB Fund Management, TX Group oder Serfontana geben uns recht. Ich kann schon jetzt verraten, dass die neue Strategiephase 2026+ weitere überraschende Elemente bringen wird.
Interview: Remi Buchschacher
Der Immobilien-Dienstleister: Wincasa ist der führende integrale Immobilien-Dienstleister der Schweiz und bietet ein breites Dienstleistungsportfolio entlang des gesamten Lebenszyklus von Immobilien: Von der Planung über den Bau und die Bewirtschaftung bis hin zur Revitalisierung und Repositionierung einer Liegenschaft. Die 1999 gegründete Aktiengesellschaft ist in allen Landesteilen präsent und gehört seit Mai 2023 zu Implenia. www.wincasa.ch