Bauen für heisse Zeiten

Was macht Gebäude klimaresilient?
Sebastian Boschert: Klimaresiliente Gebäude sind so geplant, gebaut oder saniert, dass sie mit den Folgen des Klimawandels – wie Hitze, Starkregen oder Überschwemmungen – umgehen können und gleichzeitig zukünftigen gesetzlichen Anforderungen und Marktanforderungen standhalten. Ideal gelingt das durch einen gesamtheitlichen Ansatz, der alle Jahreszeiten abdeckt und auf eine hohe Energieeffizienz in der Erstellung ebenso wie im langfristigen Betrieb abzielt. Aus bautechnischer Sicht setzt man am besten auf widerstandsfähige und gleichzeitig nachhaltige Materialien, die nicht so leicht durch Hitze, Feuchtigkeit, Sturm oder Frost beschädigt werden. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Platzierung und Ausrichtung von Gebäuden zur Vermeidung von Hitzeinseln.

Warum ist es für Hauseigentümer so wichtig, Gebäude für Hitzeperioden zu wappnen?
Cinzia Battaglia: Für Hauseigentümer ist Hitzeschutz eine notwendige Investition – in Komfort und Sicherheit von Nutzerinnen und Nutzern ebenso wie in den dauerhaften Wert der Immobilie. Überhitzte Innenräume während langanhaltender Hitzeperioden beeinträchtigen das Wohlbefinden und können die Gesundheit gefährden, besonders für ältere Menschen, Kinder und gesundheitlich Vorbelastete. Entsprechend sind Gebäude, die auch bei Hitze angenehm bewohnbar sind, gefragter am Markt und damit gleichzeitig wertstabiler.
Wie können Neubauten klimaresilient geplant werden?
Sebastian Boschert: Gerade bei der Kühlung von Gebäuden ist eine gut durchdachte Gebäudehülle zentral. Eine Aussenverschattung und das Vermeiden von Hitzeinseln in der Umgebung zur Verbesserung des Mikroklimas tragen ausserdem dazu bei, eine Überhitzung des Baukörpers im Sommer zu vermeiden. Das kann bei Arealen bis hin zur strategischen Platzierung und Ausrichtung der Gebäude führen, um natürliche Luftströmungen zu nutzen. Damit das gelingt, müssen die verschiedenen planenden und ausführenden Einheiten, Eigentümer und zukünftige Nutzer von Anfang an eng zusammenarbeiten.
Welches spezielle Know-how ist für klimaresilientes Bauen notwendig?
Cinzia Battaglia: Ein zentrales Element sind natürliche und nachhaltige Materialien. Wir müssen offen sein für neue, innovative Technologien, die die Zukunft positiv gestalten können. Es gibt aber auch altbewährte Materialien, die in früheren Jahrhunderten häufig verwendet wurden, wie beispielsweise Lehm. Dieses traditionelle Wissen gilt es heute neu zu entdecken und mit modernen Planungsmethoden zu verbinden. Damit solche Materialien effektiv eingesetzt werden, ist ein enges Netzwerk mit Herstellern und Lieferanten nötig, die hochwertige, klimaangepasste Naturbaustoffe anbieten. Gleichzeitig braucht es Architektinnen und Architekten, die diese Baustoffe frühzeitig in ihre Planung integrieren und deren Eigenschaften bei Gestaltung und Konstruktion gezielt nutzen. Nur durch die enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern natürlicher Materialien und kreativen Planern entstehen Gebäude, die sowohl ökologisch als auch klimatisch wirklich nachhaltig sind – und zugleich höchsten Komfort bieten.

Wie gelingt es, Bestandesimmobilien klimatechnisch aufzurüsten?
Sebastian Boschert: Die Gebäudehülle kann durch den Ersatz von Fenstern über die Anbringung einer aussenliegenden Wärmedämmung bis hin zu einem neuen Dachaufbau isoliert werden. In diesem Zusammenhang wird in den meisten Fällen auch die Gebäudetechnik erneuert, um für das sanierte Gebäude eine passende Energiebilanz zu schaffen und die Betriebskosten zu senken. Auch hier gilt ein ganzheitlicher Ansatz. Nach einer detaillierten Analyse der Immobilie wird ermittelt, welche Massnahmen ökologisch und ökonomisch am meisten Sinn machen.
Welche Massnahmen funktionieren bei denkmalgeschützten Immobilien?
Sollte eine Gebäudehüllensanierung wegen Denkmalschutz nicht möglich sein, kann für die Wärmedämmung auch auf die Innenseite des Gebäudes ausgewichen werden. Dies benötigt eine enge Begleitung seitens der Fachspezialisten der Bauphysik in der Planung und Ausführung, um das Optimum zu erreichen. Die Betrachtung sollte auch hier die Nutzungsphase beinhalten und es sollte sorgfältig abgewogen werden, wie lange die Nutzung der Immobilie in Betracht gezogen wird.
Das leisten klimaresistente Bauten
- Hitzeschutzmassnahmen wie Verschattung oder gute Dämmung senken dauerhaft Stromkosten
- Gebäude, die auf Starkregen ausgerichtet sind (bspw. durch kluge Planung von Wasserkreisläufen), sind widerstandsfähiger und vermeiden Kosten für Reparaturen und Nutzungsunterbrechungen
- Gebäude, die schon heute für die Anforderungen von morgen geplant sind, benötigen weniger kostenintensive Nachrüstungen
- Gebäude mit gutem thermischen Komfort bleiben attraktiv für Nutzende
Welche wirtschaftlichen Vorteile bieten hitzetaugliche Immobilien?
Cinzia Battaglia: Klimaresilienz schützt nicht nur Menschen und Infrastruktur, sondern auch den wirtschaftlichen Wert einer Immobilie. Klimaresiliente Gebäude sind eine Antwort auf das Risiko von «Stranded Assets», Vermögenswerten, die an Wert verlieren oder ganz entwertet werden – etwa durch regulatorische Veränderungen, technologische Entwicklungen oder den Klimawandel. Im Gebäudesektor kann das bedeuten: Ein Gebäude verliert an Marktwert oder ist nicht mehr wirtschaftlich nutzbar, weil es den steigenden Anforderungen an Energieeffizienz, Klimaanpassung oder Nachhaltigkeit nicht genügt.
Also zwingt die Hitze Immobilienbesitzer zum Umdenken?
Absolut. Unsere herkömmliche Art, in Gebäude zu investieren und sie zu bewerten, basiert oft noch auf kurzfristigen Massstäben: Wie hoch sind die Baukosten? Wie schnell amortisiert sich die Investition? Klimaresiliente Massnahmen wie das Verbauen hochwertiger Dämmung, Hitzeschutz, robuste Materialien oder ein nachhaltiges Regenwassermanagement erscheinen hier schnell als zu teuer. Angesichts des Klimawandels und der steigenden Anforderungen an Gebäude braucht es hier ein Umdenken. Gefragt ist ein neuer Blick auf Wirtschaftlichkeit – einer, der den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes in den Fokus rückt. Denn Gebäude verursachen nicht nur in der Bauphase Kosten, sondern über Jahrzehnte hinweg, durch Energieverbrauch, Wartung, Instandhaltung, Reparaturen oder Umbauten. Wer nur auf den Preis zum Zeitpunkt der Fertigstellung blickt, übersieht häufig, welche langfristigen Einsparungen durch eine ausgeklügelte klimaangepasste Planung möglich sind.
Sebastian Borschert: Zusammenfassend kann man sagen: Beim Planen und Bauen sollte nicht nur auf kurzfristige Einsparungen geachtet werden, sondern auch auf die langfristigen Betriebskosten. Werden gleichzeitig die Risiken durch Klimafolgen frühzeitig in die Planung einbezogen und die Robustheit sowie die Anpassungsfähigkeit von Gebäuden gezielt als wirtschaftlichen Vorteil genutzt, sind wir auf dem Weg zu nachhaltigen Gebäuden.
Encira
Encira ist eine Geschäftseinheit der Division Service Solutions von Implenia, die sich auf innovative Energielösungen spezialisiert hat. Das Team ist auf die Bereiche Bauphysik, Akustik, Nachhaltigkeit und Energie spezialisiert und bietet umfassende Dienstleistungen im Bereich der nachhaltigen Optimierung von Immobilien, Leistungen zur Baubewilligung (Lärmgutachten, etc.), Energieberatung, sowie Unterstützung zur Beantragung von Fördergeldern an. Das Ziel ist es, gemeinsam mit den Kunden den Energieverbrauch zu senken und den ökologischen Fussabdruck nachhaltig zu reduzieren.